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01. Januar 2012: Rumtreiber, sagten die Triebe und fingen dich ein

Textauszug aus dem Seminar

Untrennbare Ganzheit der Liebe

Liebe ist kein sublimierter Trieb ‘ kein Gefühl, keine Bewegung, keine Empfindung, sondern eine Art und Weise des In-der-Welt-Seins, bei der eine Ich-Du-Einheit begründet wird, eine „Wirheit, die die Überwindung aller Enge, Angst, Sinnlosigkeit, Vereinzelung und Nichtigkeit mit sich bringt. Die Einheit, die die Liebe stiftet, ist nicht nur Einheit zwischen dem Ich und dem Du, sondern Einheit mit der Welt und Einheit im Raum der einzelnen Liebenden, bei denen Geist und Leib ein gemeinsames Erleben haben. Ein auf ganz materialistische und eigennützige Basis gestelltes Verhältnis zur Umwelt führt zur Beeinträchtigung und Einengung der Liebe, die dann tatsächlich keine Liebe mehr ist und in verschiedene Entartungen geistiger, emotioneller und sexueller Natur abgleitet.

Augenscheinlich gering ist die Zahl der glücklichen, sich entfaltenden, reifen Liebenden angesichts einer in unseren Tagen mit beängstigendem Ausmaß um sich greifenden Engstirnigkeit und Eigensinnigkeit so vieler Menschen, die sich in Form einer unersättlichen Erotik äußert, die nicht nur manche Ehen scheitern lässt, sondern auch sonst in zahlreiche Perversionen mündet. Eine von der Liebe getrennte Geschlechtlichkeit, eine bloß leibliche Erfahrung, gewährt wahrhaftig keinen Einblick in die Tiefe der menschlichen Erfahrungswelt. Man lernt unterscheiden, was nur in der restlosen Hingabe des ganzen Ich gegenüber dem ganzen Du, die die endlose Einheit zwischen zwei einzigartigen und einmaligen liebenden Menschen stiftet, Sinn und Fülle zu finden vermag. Welche Naivität und Plumpheit viele „erfahrene“ junge Ehepartner (insbesondere Männer) zeigen, wissen Psychologen, Sexologen und Priester heute zur Genüge.

Die auf die Liebe hingeordnete Einheit des menschlichen Daseins wird, wie Max Scheler meisterhaft darlegt, durch die Natur selbst in Schutz genommen, und zwar durch das Schamge fühl. Dieses bedeutet weder Unwissenheit noch Angst, weder Prüderie noch Koketterie, sondern gerade Hort für das „Individuum“ (das Unteilbare) und dessen Werte, bedeutet Zuflucht der einheitlichen Liebe, die keine Äußerung des geschlechtlichen „Impulses“ erlaubt, wenn die Ganzheit der echten Liebe noch nicht geboren ist; das Schamgefühl formt menschlich das Geschlechtliche und lässt es harmonisch wachsen. Die feinfühligen Zärtlichkeiten der Liebenden, die Empfindsamkeit der edlen Menschen haben nichts zu tun mit der Albernheit der Ungebildeten. Die Feinheit des wahren Schamgefühls stammt aus starken und hohen Leidenschaften, nie aus Engstirnigkeit und vorurteilsbelasteter Feindlichkeit dem Leib gegenüber.

Nicht irgendeine psychische oder physische Eigentümlichkeit „am“ Partner wird von der Liebe „gemeint’, sondern das einmalige und einzigartige So-Sein der geliebten Person. Die Liebe meint nicht diese oder jene Eigenschaft, die der andere „hat, sie meint vielmehr das, was er in seiner Einzigartigkeit ist (Viktor E. Frankl)“.

Da körperliche oder seelische Eigenschaften nie absolut einmalig und einzigartig sind (man kann immer „andere“ und „bessere“ finden), würde man das An-ihnen-kleben-bleiben fälschlich für Liebe halten, und es wäre zur Enttäuschung - vielleicht sogar zum Tausch verurteilt.

Daher hat die selbstbetrügerische Haltung vieler Mädchen, die durch starre Nachahmung unpersönlicher Modetypen die Einmaligkeit und Einzigartigkeit ihres Wesens preisgeben oder wenigstens verdecken, zur Folge, dass sie von sexuell erregten oder emotionell verliebten Männern bloß ausgetauscht werden. „Wir sind nicht untreu, wir verwechseln sie!“, sagt ganz unverblümt der Protagonist einer italienischen Erzählung.

„So bleibt echte Liebe als eine geistige Beziehung zum Geistigen des anderen, als Ansichtigwerden eines Du in dessen So-und-nicht-anders-Sein von jener Verg&aum l;nglichkeit verschont, von der die bloßen Zuständlichkeiten körperlicher Sexualität oder seelischer Erotik betroffen sind“ (V. E. Frankl). Dieses Du ist unaustauschbar und unvertretbar, und deshalb ist die Beziehung zu ihm unenttäuschbar und unvergleichlich, das heißt unauflösbar, „stärker als der Tod“.

Geschlechtliche Liebe kann Austragung der Liebe ins Leibliche sein, kein Beweis für die Liebe aber, auch wenn sie als solcher öfters gefordert wird. Wer aber das Vergängliche und Austauschbare als Beweis für zeitloses und Einzigartiges verlangt (besonders in Form des vorehelichen, immer spannungsgeladenen, neugierigen, ungeschickten und als außerordentliche „Leistung“ empfundenen Geschlechtsverkehres), der hat schon das Recht über Bord geworfen, als Mensch behandelt und geliebt zu werden.

Das Leibliche aber kann die Liebe sowohl durch sexuelle Hingabe als auch durch sexuelle Enthaltsamkeit austragen. Alles hängt davon ab, dass sich der Mensch durch das Opfer des eigensüchtigen Ich zugunsten der geliebten Person (Mensch oder Gott, Gott durch die Menschen) hingibt und sich vollendet.

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